Beleidigung wegen Behinderung: Bist du behindert oder was?

Hi! Heute soll es mal um ein Wort gehen. Das schöne Wörtchen „behindert“. Ihr habt es bestimmt alle schon des Öfteren gehört, ich verwende es ja auch das ein oder andere Mal.
Ich habe es ja schon in meinem allerersten Artikel angesprochen. Besonders warum ich es ausdrücklich benutze und mich auch als behindert bezeichne. Ich will eben nicht, das es nach einer Beleidigung klingt.

Behindert an sich ist keine Beleidigung

„Aber, ist es das nicht eh schon?“, fragen sich jetzt vielleicht einige von euch. Und da sage ich klar: „Nein!“. Für mich ist das Wort „behindert“ genauso wie „Behinderung“ keine Beleidigung. Zumindest soweit ich weiß, wird das englische Gegenstück „disabled“ auch nicht als solche missbraucht.
Denn das ist es, was mit dem Wort geschieht, wenn es jemandem als Beleidigung an den Kopf geschleudert wird. Es wird „missbraucht“. Ebenso wie auch das Wort „schwul“ oft als solche missbraucht wird. Und es ist traurig. Es ist traurig, das eigentlich neutral konnotierte Worte als Beleidigungen missbraucht werden. Worte, mit denen sich viele selbst identifizieren.

Ich selbst bin behindert

Vielleicht gibt es einige Menschen mit Handicap, die sich gerne nicht als „behindert“ bezeichnen. Eben einfach, weil sie nicht denken, dass es eine „Behinderung“ oder „Einschränkung“ ist, die sie haben. Einfach etwas Besonderes. Eine besondere Gabe. Und diese Menschen möchte auch ich nicht beleidigen, wenn ich sie als „behindert“ bezeichne.
Meine Form der Behinderung, die Hemiparese, ist nämlich gewiss das. Es ist keine besondere Gabe, kein Talent oder irgendetwas. Ich bin dadurch nicht besser in irgendetwas, nur schlechter in körperlichen Dingen und ich habe einen miserablen Gleichgewichtssinn. Das ist negativ. Das ist, im Sinne des Wortes, eine „Behinderung“.

Gesellschaftliche Akzeptanz

Behindert oder wasHeute soll es aber vor allem um den Missbrauch des Wortes gehen. Die Benutzung des Wortes als Beleidigung. Ich möchte ergänzen: Die gesellschaftlich akzeptierte Benutzung des Wortes als Beleidigung. Wenn du heute in einem normalen Umfeld jemanden als „schwul“ beleidigst, ich hoffe, ihr tut es nicht, dann wird dich dieses Umfeld, zumindest wahrscheinlich – und ich möchte sagen zum Glück – etwas seltsam beäugen.
Beleidigst du jemanden als „behindert“ beäugt dich niemand. Ich kenne persönlich einige Personen, die sich für Gleichberechtigungen in verschiedenen Bereichen einsetzen, die aber trotzdem ohne Bedenken jemanden als „behindert“ bezeichnen. Oft übrigens Personen, die dies gar nicht sind.
Das ist noch so etwas. Es scheint ja heute, besonders unter jungen Menschen, und da wieder besonders unter Jungs, eine Tradition zu geben sich auf „kumpelhafte Weise“ gegenseitig Beleidigungen an den Kopf zu werfen. Die beliebtesten: „Hurensohn“ und „behindert“. Letzteres in solch schönen Sätzen wie: „Bist du behindert oder was?“.
Über „Hurensohn“ als Wort möchte ich mich an dieser Stelle nicht auslassen, auch das ist bestimmt problematisch, aber ich bin nun mal behindert und darum tangiert mich das Zweite weit mehr.
Ich habe mir mittlerweile abgewöhnt, Leuten es übel zu nehmen, wenn sie andere als „behindert“ beleidigen, es bringt einfach nichts. Gelegentlich sage ich mal so etwas in die Richtung von: „Ich bin hier schon behindert, woher hast du das Recht, dich so zu bezeichnen?“. Über die Qualität dieses Spruches lässt sich wohl – debattieren.

Was die Beleidigung über den aussagt, der sie ausspricht

Zurück zum Thema: Warum ist es denn überhaupt blöd, Leute als „behindert“ zu beleidigen? Nun, zum einen ist es eine Beleidigung. Ob ihr es nun „kumpelhaft“ meint oder nicht. Beleidigen ist in Deutschland eine Straftat. Egal an wem. Selbst am größten „Arschloch“. Solche Menschen schießen sich schon selbst ins Aus. Zum Zweiten: Wenn du das Wort „behindert“ als Beleidigung benutzt, ließe sich daraus folgern, dass du behinderte Menschen nicht gerade toll findest. Warum? Weil du jemanden erniedrigst, indem du diese Person auf eine Stufe mit Behinderten stellst. Ich denke, das sollte klar geworden sein.
Eine Behinderung zu haben ist nichts Schlechtes! Genauso wenig, wie es nichts schlechtes ist, nicht heterosexuell zu sein. Es ist einfach so. Weder das eine noch das andere suchst du dir aus. Du bist genauso wertvoll wie alle anderen. Wenn du beim Zeltaufbauen nicht mithelfen kannst, bist du nicht nutzlos. Das möchte ich an dieser Stelle klar machen.

Warum ich es wichtig finde, das Wort zu verwenden

Aber warum verwende ich nicht einfach das Wort „Handicap“? Oder spreche von „Einschränkung“? Zwei Begriffe, die zumindest in meinem Umfeld noch nicht als Beleidigung missbraucht wurden. Nun, weil ich mich nicht davon vereinnahmen lassen möchte.
Wenn irgendein Neonazi auf die Idee kommt, Begriff a oder b sei eine „gute“ Erklärung, warum die „arische Rasse“ überlegen sei, muss ich auch diese Begriffe nicht mehr verwenden, nur weil irgendein Arschloch sie missbraucht.

Schießt euch nicht selbst ins aus!

Viele Leute, die „behindert“ als Beleidigung benutzen, möchte ich aber nicht als „Arschloch“ bezeichnen. Ich kenne viele Menschen, die das tun und die ich eigentlich schätze. Trotzdem: Auch wenn ich bestimmt selbst nicht ohne Sünde bin und auch nicht das Recht habe, mich als Moralapostel hinzustellen, hier mein Appell:
Bannt das Wort „behindert“ nicht aus eurem Vokabular. Ich bin es, und ich bezeichne mich gerne so. Aber bitte, missbraucht das Wort nicht als Beleidigung. Das hat es nicht verdient. Es gibt sehr viele Menschen mit einer Behinderung, die bestimmt auch mal besser sind als diejenigen, die ihr dadurch beleidigen wollt. Ob ich dazu zähle oder nicht, das weiß ich natürlich nicht.
Tja, ich denke, jetzt kommen wir zum Ende. Danke, dass ihr meine Auslassungen wieder bis zum Ende durchgelesen habt! Diesmal jedoch möchte ich es mit einer Bitte beenden: Nehmt es euch zu herzen, verwendet „behindert“ nicht als Beleidigung. Ich bin sicher, euer Vokabular kennt bessere Begriffe, um das auszudrücken, was ihr in gegebener Lage ausdrücken möchtet. Danke! Ich hoffe, ihr versteht mich. Ich hoffe, ihr habt einen wunderbaren Tag. Und ich hoffe, ihr selbst wurdet noch nie als „behindert“ beleidigt und findet es genehm, wenn ich das Wort verwende.

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