Wer ist der Handicaptain?
Hi! Ich freue mich sehr darüber, die Gelegenheit gehabt zu haben, Christof Luckas, den „Handicaptain“ zu interviewen. Auf seinem Blog veröffentlicht Herr Luckas seit einigen Jahren schon Tipps zum Leben mit Rollstuhl, schreibt über seine Leidenschaft, das Reisen und gibt auch Tipps zu barrierefreien Reisen.
Er sitzt seit 2009 im Rollstuhl und engagiert sich als Motivationsredner. Er schafft es seine Behinderung als eine Chance zu sehen und will auch anderen diese Sichtweise nahe bringen. Das hat auch mich dazu bewegt, ihn interviewen zu wollen und zu meiner großen Freude durfte ich das auch.
Nun möchte ich euch auch nicht weiter aufhalten, viel Spaß mit dem Interview:
Das Interview
Frage: Zuerst einmal: Du veröffentlichst in deinem Blog „Handicaptain“ ja seit einigen Jahren Artikel über dein Leben als Mensch im Rollstuhl. Doch wie würdest du dich vorstellen? Was würdest du jemandem über dich erzählen, der dich noch nicht kennt?
Antwort: Vielen Dank für dein Interesse, Alexander. Schön, dass du meinen Blog kennst und mir auf den Fersen bist.
Ich bin Christof, verheiratet, Mitte 50, Technischer Redakteur, lebe in der Nähe von Mainz, bin Rollstuhlfahrer, sehe sehr gerne etwas von der Welt und versuche, aus Arschkarten Trümpfe zu machen. Darüber halte ich Vorträge.
Frage: Ich habe dich über deinen Blog gefunden und bewundere deine positive Art und Ausstrahlung. Was ist dein Geheimnis?
Antwort: Tatsächlich habe ich mich vor einigen Jahren dazu entschlossen, Situationen für mich so zu bewerten, dass sie mir nützen und nicht schaden. Im ersten Reflex sieht oft vieles negativ aus, aber es lohnt sich sehr, einen Moment innezuhalten und darüber nachzudenken, was ich aus einer Situation mitnehmen kann.
Frage: Auf was bist du in deinem Leben besonders stolz?
Antwort: Meine Frau, mein Haus, mein Auto, mein Studium, mein Job …? Klingt überheblich, oder.? Im Ernst, ich bin immer wieder stolz, wenn mir eine Idee in den Sinn kommt, die ich – manchmal zusammen mit anderen – umsetze und dann viel Freude damit habe. Zum Beispiel, als wir meinen Bus zum Camper umbauen ließen. Zuvor hatte ich keine Ahnung, ob Camping überhaupt etwas für mich ist. Heute bin ich zusammen mit meiner Frau in ganz Europa unterwegs und haben irre viel Spaß damit.
Frage: Wie meisterst du das Leben im Rollstuhl? Woher ziehst du deine Kraft? Welche Veränderungen kamen durch den Muskelschwund in dein Leben?
Antwort: Das Leben im Rollstuhl lässt sich gut meistern, solange die Umgebung passt. Früher war der Begriff „Barrierefreiheit“ für mich eher ein Begriff aus Regelwerken oder Bauvorschriften. Heute weiß ich, wie wichtig es ist, dass alle Menschen teilhaben können. Leider gibt es gerade in Deutschland noch viel zu tun, vor allem in Bezug auf das Mindset.
Frage: Was würdest du einem jugendlichen Menschen wie mir empfehlen, mit oder ohne Handicap?
Antwort: Beschäftige dich mit dem, was dir liegt, dir Freude macht und wovon du gar nicht genug bekommen kannst. Halt hingegen dass, was dich nervt oder belastet, möglichst klein. Klingt vielleicht theoretisch, ist aber immer wieder eine ganz praktische Übung. Du entscheidest selbst, wie viel Raum und Beachtung du welchem Thema oder Vorkommnis gibst.
Frage: Du schreibst ja auch viel über das Reisen. Was waren bisher deine Lieblingsplätze, die du besichtigt hast? Wo würdest du gerne noch hin?
Antwort: Einen Lieblingsplatz verbinde ich mit einem „Kneif-mich-mal-Moment“. Einen solchen hatte ich zum Beispiel an Deck eines Kreuzfahrtschiffes, als ich, einen abendlichen Cocktail genießend, von Pier 55 auf die Mega-Skyline Manhattans blickte. Oder als ich auf einer anderen Reise aus einiger Entfernung den feuerspeienden Vulkan auf La Palma dabei beobachten konnte, wie er die heiße Lava in den Nachthimmel spie – beklemmend schön.
Wo ich noch hin möchte? Spontan fallen mir viele Destinationen ein: Südafrika, Tokio (soll sehr barrierefrei sein), mit dem Camper nach Süd-Frankreich und Spanien, …
Frage: Auf welche deiner Eigenschaften bist du stolz?
Antwort: Der Mensch ist immer ein Gesamtkunstwerk mit Stärken und Schwächen. Meine Stärken liegen darin, mich kreativ auszudrücken, zu schreiben, Vorträge auszuarbeiten oder zu fotografieren. Ich setze mich gerne für andere ein und versuche hier und da etwas anzuschieben.
Frage: Was für Geschichten magst du? Wurdest du schon einmal von einer Geschichte, einem Roman oder Film, inspiriert?
Antwort: Ich mag die Geschichten, die mir inspirierende Menschen erzählen. Zum Beispiel, wenn jemand sein Leben mehr oder weniger radikal ändert, oder ändern muss, und am Ende sagt: Es war das Beste, was mir passieren konnte.
Ich höre gerne Hörbücher, weil ich so nebenbei viel konsumieren kann. Da mag ich die spannenden Thriller von Sebastian Fitzek genauso wie seine komischen Romane. Inspirierend finde ich auch ein paar deutsche Kabarettisten, weil sie sehr pointiert formulieren. Thorsten Sträter höre und sehe ich gerne.
Frage: Wie hat es sich ergeben, dass du deinen Blog gestartet haben?
Antwort: Vor meinen Reisen habe ich im Internet oft nach Informationen gesucht. Wie steht es mit Barrierefreiheit? Welche Unternehmungen kann ich mit dem Rollstuhl machen? Welche Erfahrungen haben andere gemacht? Gleiches gilt auch für Hilfsmittel.
Ich habe einfach gemerkt, wie wichtig es ist, relevante Infos zu teilen. Und, ich kann meine Stärken nutzen, etwas auf die Beine stellen und jede Menge Spaß dabei haben.
Frage: Was würdest du jemandem ohne Handicap empfehlen im Umgang mit Menschen mit Handicap? Gibt es vielleicht Verhaltensweisen, die dich nerven? Fragen oder Sprüche, dehnen du überdrüssig geworden bist?
Antwort: Empfehlungen für den Umgang mit behinderten Menschen? Nö. Jeder Mensch sollte andere mit Respekt behandeln, ganz egal ob mit oder ohne Behinderung oder sonst was. Mich nervt eher die Einstellung vieler Menschen ohne Handicap zu Themen, die für Menschen mit Behinderung wichtig sind. Da heißt es schnell: „Was soll denn noch alles getan werden?“ oder „Wer soll das denn alles bezahlen?“ usw.
Bekloppte Fragen oder Sprüche baue ich in meine Vorträge ein. Da lachen dann alle darüber, wie kompliziert es bei Menschen mit Handicap werden kann. Stehen, sitzen, gehen, fahren … alles nicht so einfach bei einem Rollstuhlfahrer.
Frage: Welche Hilfsmittel benutzt du in deinem Alltag? Was für einen Rollstuhl? Was würdest du Menschen in einer ähnlichen Lage weiterempfehlen?
Antwort: Mittlerweile habe ich eine ganze Reihe Hilfsmittel. Allgemeine Empfehlungen helfen aus meiner Sicht wenig, weil jeder Fall ganz individuell ist. Mein Tipp: Wer ein Hilfsmittel benötigt, sollte sich umfassend informieren und ausprobieren – egal, ob Rollstuhl, ein Trimmgerät, Lift usw. Leider beraten manche Sanitätshäuser schlecht oder gar nicht. Entweder, weil sie keine Ahnung haben oder eigene Interessen vertreten. Frag Menschen, die sich auskennen, ggf. in der Selbsthilfegruppe, der nächsten Reha oder im Internet.
Wichtig ist, dass du mit dem Hilfsmittel gut zurechtkommst und es akzeptiert, es dir bestenfalls richtig gut gefällt.
Frage: Welche Frage würdest du noch gerne gestellt bekommen und wie würdest du sie beantworten?
Antwort: Diese Frage gefällt mir mit Abstand am besten. Antwort: Keine. 😉